Jakob Lorber: 'Sterbeszenen - Jenseits der Schwelle'

Ein Jenseitiger teilt sich mit (Niederschrift ab 18. Februar 1861)


Ein Verstorbener, der zu seiner Erdenzeit Lorber gekannt hatte, durfte sich direkt an diesen wenden. Ab dem 18.02.1861 erschien er immer wieder und berichtete Lorber von seinen Erlebnissen und seiner Führung im Jenseits:


   01] B: »Gott zum Gruße, lieber Freund! - Ich habe in meiner noch immer etwas leidigen Abgeschiedenheit an dich und an alle andern Freunde wohl gedacht und mir auch oft jene Stunden in Erinnerung gerufen, in denen wir uns über geistige Dinge gar tröstlich besprochen haben. Aber des Herrn allmächtiger Wille hat mich von der Welt abberufen - und ich bin hier angelangt unter wahrlich nicht sehr erfreulichen Umständen, an denen freilich nur ich selbst schuldete. Ich wollte alles in meinem Erdenleben Zerrüttete wieder in ein möglichst gutes Gleichgewicht bringen und gab mir deshalb auch viele - aber vergebliche Mühe, und ich konnte mir deshalb - um nach irdischer Weise zu reden - gar keine Zeit nehmen, jemandem von euch zu erscheinen, obschon ich wußte, daß ich dir oder auch jemand anderm hätte erscheinen können, so ich es gewollt hätte.
   02] Aber nun bin ich freier, dem Herrn alles Lob, und so habe ich endlich in mir selbst inne zu werden angefangen, daß hier alle meine nach irdischer Norm geartete Mühe und Arbeit nichts anderes als eine wahre Mühe und Arbeit in einem Traume war, und ich ließ davon ab. Denn sieh, für mich war das Sterben des Leibes nichts anderes als ein ganz süßes Einschlafen eines arbeitsmüden Tagewerkers, und ich befand mich wie in einem hellen Traum sogleich in einer ganz anmutigen Gegend und kam auch gleich mit mehreren guten alten Freunden, zumeist Triestinern, zusammen, die mir recht freundlich und artig entgegenkamen und sich mit mir - aber zumeist nur über ganz gleichgültige Dinge - besprachen. - Ich ahnte nicht, daß dies ein Traum sei, was ich in meinen Erdenlebenszeiten oft in einem Traume wie ahnend wahrnahm.
   03] Nur einer dieser meiner Triestiner Freunde, von dem ich gleich wußte, daß er an ein und demselben Tage mit meiner Gattin an der Cholera verstorben war und mit dem ich oft in seiner schön gelegenen Campagna bei einem Gläschen Triestiner viel über geistige Dinge mich besprach, fiel mir auf, und ich fragte ihn, wie denn er hierhergekommen sei. "Denn", sagte ich, "Freund, ich weiß es ja nur zu bestimmt, daß du mit meiner D. an einem Tage an der bösen Epidemie verstorben und auch unter meinen weinenden Augen beerdigt worden bist, - und du lebst nun so, wie ich lebe - und hoffentlich nicht träume?!"
   04] Da sah mich der alte gute Freund gar sehr ernst, aber doch freundlich an und sagte: "Freund! - seien wir von Herzen froh, daß wir's überstanden und die Welt mit allen ihren Übeln hinter uns haben, denn sieh, auch du hast das leidige Irdisch-Zeitliche für alle Ewigkeiten gesegnet, und deine morsch gewordene Hülle wird morgen der Erde übergeben, wofür wahrlich nicht schade ist!" - Als ich dies vernahm, da wurde es mir denn doch ein wenig bange zumute und ich sagte: "Nun, in Gottes Namen denn, wenn es im Ernste also sein soll! Aber meine Kinder, und meine Sachen - ich habe ja lange noch nicht alles in bester Art geordnet?!" - Sagte der Freund: "Ei, kümmere dich darum nicht, das werden schon die tun, die noch auf eine kurze Zeit zurückgeblieben sind!"
   05] Damit war ich auch bald einverstanden, und ich befand mich wie durch einen Zauber geführt auf einmal so natürlich in der Campagna meines Freundes und besah mir ganz entzückt das Meer mit seinen Wundern, daß ich sagte: "Freund, aber das ist ja doch alles ganz handgreifliche Natur, und wir sollen nur pure Geister sein?!" Da sagte er zu mir: "Freund! - als wir noch unser schlechtes Fleisch bewohnt haben, da sahen wir ja auch nur als lebendige Seelen die handgreifliche Natur, und nicht unser toter Leib! Wenn so damals, wo uns des Leibes Bürde und finstere Dichte ein großes Hindernis war, warum denn jetzt in unserem freieren Lebenszustande nicht?"
   06] Ich war damit ganz einverstanden und fing an zu fühlen, daß ich des Leibes bar geworden bin; aber doch nicht, wie und auf welche Art. - Aber ich fing da an, mich zu kümmern, wo ich meine Gattin fände, und ob ich meine verlassene Buchhandlung wieder aufrichten könnte, - und das hatte mir viel Kummer und Sorge gemacht. - Aber Gott alles Lob! nun ist auch das hinter mir, und ich habe angefangen, mich nun ausschließlich mit höheren Dingen zu befassen, - und ich werde dich nun zu öfteren Malen besuchen und dir noch so manches aus meinen jetzigen Erlebnissen und Erfahrungen für die Gläubigen auf eurer Welt zum Nutzen mitteilen. - Lebe nun wohl in Gott dem Herrn.« - -

(Am 25. Februar 1861)

   07] B: »Guten Morgen, guten Morgen - lieber Freund! Meine herzlichsten Grüße auch an alle die andern guten Freunde! Ich habe hier nicht nötig zu fragen, wie sie sich befinden; denn das weiß man hier ganz gut, wie es dem einen oder andern lieben Freunde noch auf der stereotypen Erde geht, da wir alles dessen aus eines jeden seelischer Außenlebenssphäre genauest innewerden können, wenn wir das wollen. Aber ich habe dennoch stets eine große Freude, so ich hier auf der geistigen und somit bessern Erde inne werde, daß ein jeder - bis auf weniges - im Lichte des Herrn aus den Himmeln fortschreitet; denn die der Herr liebhat, die sucht Er ja stets mit allerlei Kreuzlein heim. Diese Kreuzlein sind wahre Beförderungsmittel zur Einung des Geistes des Herrn mit der für sich immer leidigen Seele, die für sich ohne eine Stütze ein sehr armseliges Wesen ist, aus welchem Grunde sich auch die meisten Seelen auf ihr morsches und hinfälliges Fleisch stützen und mit diesem sich auch alle Leiden gefallen lassen müssen, weil sie die festeste und ewige Stütze des Geistes aus Gott nicht ahnen, geschweige irgend erkennen! - Und eben darum sind die gewissen Ordenskreuzlein aus der Hand des Herrn gar so gut und nützlich fürs wahre und ewige Wohl der Seele, weil sie dadurch genötigt wird, sich vom fleischlichen Stützpunkte abzuwenden und sich im Glauben an den des Geistes zu wenden.
   08] Hat eine Seele einmal nur als anfänglich diesen günstigen Umschwung gemacht, so wird sie vom Herrn aus so lange mit allerlei Kreuzlein versehen, als sie sich nicht völlig mit dem Geiste zu einen angefangen hat
. Ist das aber einmal da und auch nicht mehr zu befürchten, daß eine Seele wieder zum Fleische behaglich zurückkehren könnte oder möchte, nun, so hören dann auch alle die Kreuzlein auf und der ganze Mensch kann dann schon auf der Welt in eine wahre Glückseligkeit übergehen. Ich selbst habe im Erdenleben das wohl auch bei weitem nicht so eingesehen, wie ich's jetzt in diesem reinen und völlig schmerzlosen und eigentlich wahren Leben einsehe. Und das war auch der Grund, daß ich gleichfort in einem Wanken zwischen dem morschen und vergänglichen Stützpunkte des Seelenlebens und jenem ewig dauernden, wahren und kräftigsten des Geistes mich befand und dabei aber auch in einem fort bald dies und bald jenes stets leidend zum Erdulden bekam, - aber es war das dennoch gar liebevoll vom Herrn also angeordnet, und ich fühle erst jetzt mehr und mehr die große Wohltat aller der von mir ausgestandenen, oft recht bitter schmeckenden Prüfungen. Denn wo und was wäre ich nun hier ohne sie?!
   09] Ach, lieber Freund, wenn man hier wie ich nun die Gelegenheit hat, das Elend und die große Not der gewissen Weltmenschen-Seelen zu sehen und zu erkennen, so kann man dem Herrn ewig nie irgend zur Genüge dankbar sein, daß Er einem stets solche Hüter und Wächter gesandt hat, durch die man verhindert wurde, ein ganz vollendeter Weltmensch zu werden. - Ertragt daher alles aus Liebe zum Herrn in aller Ihm dankbaren Geduld, - denn das wahre Lebenskalifornien werdet ihr für ewig nur hier finden.
   10] Denn jeder treue Arbeiter im großen Lebensweinberge des Herrn wird hier seinen glänzendsten Lohn für ewig finden!
   11] Das aber ist ja aus dem Munde des Herrn Selbst bekannt, daß Seine Bekenner auf der Erde in Ihm, d.i. in Seinem Geiste gewisserart mit Ihm gekreuzigt werden, um also auch mit und in Ihm zum ewigen Leben aufzuerstehen.
   12] Sehr lieber Freund, ich weiß es wohl, daß dir das nicht unbekannt ist, aber ich sage dir und auch den andern lieben Freunden das nur darum, weil das Wort eines Selbsterfahrenen denn doch ein größeres und wirksameres Gewicht hat als das eines Propheten, der doch noch ein Einwohner des Fleisches ist.
   13] Du möchtest wohl von mir so manche geistigen Seins- und Bestandsverhältnisse erfahren, und ich teile es dir auch wahrlich gerne mit, soweit es mir in meinem gegenwärtigen Zustande nur immer möglich ist. - Sieh, ich befinde mich noch immer auf dieser Erde und zwar zumeist in den Küstengegenden um Triest, bin aber auch zu öfteren Malen hier in Graz, und ich sehe diese Erde auch um vieles besser, als sie je ein Mensch, der noch im Fleische wandelt, zu sehen imstande ist. Und ich sehe auch die Menschen, die hier noch leben und kann für mich auch ganz gut mit ihnen verkehren. Denn meine Worte werden in ihnen wie unvermutete und plötzlich entstandene Gedanken; und ihre eigenen darüber entstandenen Gedanken geben mir plastisch die Antwort. Aber doch ist die Erde, die ich gar klar schaue, nicht die eigentliche materielle Erde selbst, sondern nur gewisserart die geistige, ohne die die materielle gar nicht bestehen könnte, weil alles Materielle an und für sich nichts als nur ein gerichtetes oder fixiertes Geistiges ist.
   14] Aber es ist das doch etwas Sonderbares, daß bei uns die 'geistige Erde' gewisserart aus der Seele durch die allbelebende und allschaffende Macht ihres Geistes aus Gott hervorgeht, so wie ein völlig ausgewachsener Baum aus dem Keimhülschengeiste im unansehnlichen Samenkorn hervorgegangen ist, nur geschieht das fertiger als die Entwicklung des Baumes aus dem Samenkorn. Nun würdest du freilich denken und sagen: Ja, wenn also, da gibt es dann im Geisterreiche ebensoviele geistige Erden, wie es Geister gibt. Aber das ist eben nicht der Fall, und es ist wundersam, wie zwar wohl richtig ein jeder Geist 'seine' geistige Erde in sich ins Jenseits bringt; aber sowie sie sich aus ihm entwickelt, vereint sie sich augenblicklich auch mit aller Geister geistigen Erde, und es besteht darum nur eine geistige Erde, in allem der materiellen völlig ähnlich, nur um vieles edler, ausgeprägter und vollendeter als die materielle für das Auge des Fleisches, das die großen Wunder im Bau der Atome nicht erschauen kann. Und darum ist die 'geistige Erde' für uns auch ein ganz anderer Anblick, als für euch die materielle.
   15] Unser Hin- und Herwandern ist natürlich auch ein anderes als bei euch, denn wir haben mit der materiellen Zeit und ihren Räumlichkeiten nichts zu tun. Wie bei uns aber das vor sich geht, das werde ich dir nächstens näher zeigen, und zwar auf eine leicht begreifliche Art. - Und so lebe nun wohl im Herrn.«

(Am 04. März 1861)

   16] B: »Guten Morgen, und Gott zum Gruße! Nun fängt auf dieser Erde wieder das Frühjahr an, und es wird sicher ein recht gutes werden; denn wir merken das wohl an der besonderen Tätigkeit der Naturgeister, die sich nun gar bunt durcheinander zu tummeln anfangen. Es ist doch wahrlich sonderbar, in welchen Formen von der höchsten Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit sie sich auf einmal wie durch einen Zauberschlag in unserer Ätherluft entwickeln, sich gruppieren und dann gleich tätig werden. Die höchste Verschiedenheit der zusammengemengten Formen und Gruppierungen stellen eine neue Form als ein neues Ganzes dar. Man sieht nun die neue Form, aber man sieht in ihr auch die einzelnen Spezialformen (Sonderformen) in ihrer wunderbar geordneten Verbindung, und das übertrifft weit alles, was man auf der Erde auch durch die vollendetsten Mikroskope sehen und entdecken kann. Denn was man mit den fleischlichen Augen sehen kann, das sind schon gefestete Formen, mindestens auf der zehnten Potenz der fortschreitenden Formen- und Wesenverbindung stehend. Es ist das gewisserart schon ein umhäutetes und eingepupptes Geistiges, das erst aus solch einer Puppe dann in der materiellen Welt in die entsprechende Erscheinlichkeit tritt. Aber welch eine Riesenmenge der seltensten Vorformungen und Zusammengruppierungen gehen in der geistigen Naturwelt einer obbenannten Einpuppung voran!
   17] Diese Tätigkeit der speziellen Naturgeister vor ihrer Einpuppung ist eigentlich das Wunderbarste, was wir Geister hier beobachten können, so wir dazu Lust und Liebe haben. Aber es geht hier bei uns zumeist auch so zu, wie auf der materiellen Erde unter den Menschen: wer nicht den schon für etwas Höheres geweckten Sinn mit herübergebracht hat, der hat auch hier keinen andern, als er ihn auf der Erde hatte. Der Gold- und Geldmenseh bleibt auch hier ein Makler und Spekulant, so der Kaufmann, der Handwerker, der Landmann und so fort - ein jeder in seiner Art; und da heißt es wahrlich: Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt!
   18] Ich weiß das von mir selbst, wie auch ich mich am Anfang meines Hierseins wieder hinein, d.h. in das Welthandeln zu drängen begann. Nur guten und hier schon wohlerfahrenen Freunden habe ich es zu danken, daß ich davon abkam und den eigentlichen und wahren Zweck meines Hierseins noch früh genug erkannte und mich nun auf einer höheren Stufe des reineren Erkennens und Schauens befinde. - Oh, es ist hier noch schwerer, sich von der falschen Materie loszuwinden, als auf der wirklichen materiellen Welt, und das Atheistentum ist hier noch ums Tausendfache mehr vertreten als auf der materiellen Welt, - und wer einmal darin steckt, der ist nach meiner bisherigen Erfahrung schwer oder, nach meinem Dafürhalten, schon gar nicht herauszubringen. - Ich habe mit derlei Geistern über, wie man sagt, transzendentale Dinge bei Gelegenheit zu reden angefangen, bekam aber gleich zur Antwort: "Sollen wir etwa auch hier noch den Pfaffen und Herrschern Narren abgeben? Seien wir froh, daß wir uns endlich einmal in einer solchen Welt befinden, in der ein jeder ein völlig freier Herr seines Platzes ist!" - Einen davon habe ich erst jüngst gefragt, ob er nicht dann und wann denke, daß der große Lehrer aus Nazareth etwa doch der Herr und Schöpfer aller Geister- und Sinnenwelt sein könnte. Nun, da habe ich bald einpacken können, er machte Miene, roh und grob zu werden, und machte derartige Außerungen über den Herrn, die ich hier nicht wiederholen möchte. Es ist mit solchen Geistern nichts zu machen, das Beste ist, ihnen nach Möglichkeit auszuweichen.
   19] Ich habe den Herrn schon ein paarmal, aber nur von einer gewissen Ferne, zu Gesichte bekommen und hatte eine große Sehnsucht, Ihn zu sprechen. Aber es hat sich das bis jetzt noch nicht gefügt. Mein Freund sagte mir, daß Er ehest wieder kommen werde; - vielleicht fügt es sich dann?« - -


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