Jakob Lorber: 'Sterbeszenen - Jenseits der Schwelle'

'Das Wiedersehen im großen Jenseits' (Niederschrift vom 31. Mai 1852)


Inhaltszusammenfassung:


   01] Bei gar sehr vielen Menschen, die sonst Kopf und Herz am rechten Flecke haben, besteht, so sie eben nicht gar so glaubensstark sind, noch gleichfort die verhängnisvolle Frage: ob es nach diesem kurzen irdischen Leben noch ein und »wie« gestaltetes Leben gibt, und ob der Mensch sich als das, was er hier war, erkennen wird? Ferner, ob ihm das hiesige (irdische) Bewußtsein und die volle Rückerinnerung an all seine irdischen Zustände hleiben oder ob das Bewußtsein samt der Rückerinnerung vielmehr dem im Traume gleichen wird, wo der träumende Mensch sich wohl als derselbe, wie und was er im wachen Erdenleben ist, erkennt und sich seiner Subjektivität, nur unter immer ganz neuen Lebensverhältnissen, klar bewußt ist, wo aber alle objektiven diesseitigen Lehensverhältnisse bis auf weniges tief im Gemüt Haftendes - wir etwa die nächsten Verwandten und sehr oft gesehene, lehhaft besprochene und als heimatlich hewohnte Orte, und selbst diese nahe allzeit unter fremden Verhältnissen und Gestaltungen - nahe alles Dasein verlieren. Und gibt es dort im großen Jebseits unter solchen etwa einem hellen Traume sehr ähnlichen geistigen Lebensverhältnissen ein sich gegenseitig wohl erkennendes Wiedersehen?
   02] Und Ich, der Herr, sage und antworte auf diese umfassende Frage mit: Ja, so und so! Je nachdem der Menseh dies irdische Probeleben mehr oder weniger vollkommen nach Meiner allen Menschen geoffenbarten Ordnung durchlebt hat.
   03] Wer es hier schon, was jedem leicht möglich ist, zur wahren und vollen Wiedergeburt seines Geistes gebracht hat und als ein Vollwiedergeborener hier also lebt, daß ihm die Geisterwelt mit all ihren Verhältnissen und auch in ihrer einfließend entsprechenden Wirkung auf die materielle Welt so wie die materielle Welt völlig klar erschaulich ist, bei dem kann die Ablegung seines ohnehin keines lebendigen Bewußtseins und irgendeiner Erinnerung fähigen Leibes unmöglich irgendeine Veränderung in seinem Denken, Wollen, Erinnern und lebendigsten subjektiven und objektiven Bewußtsein bewerkstelligen.
   04] Denn so das Leben und alle seine Ein- und Auswirkungen schon diesseits ganz in den ewig gleichfort im höchsten und reinsten Selbstbewußtsein sich befindenden Geist übergegangen ist, der über alle Materie ewig erhaben ist und diese nur als ein auf eine bestimmte Zeit fixierter Gedanke oder als festgehaltene Idee in ein wie nach außen hin erscheinliches Sein tritt, so meine Ich, dürfte es wohl für jeden nur etwas heller Denkenden mit Händen zu greifen sein - zumal ihm dafür noch tausend Beweise aus dem Leben der Somnambulen und vieler Seher und Propheten zur Einsicht zu Gebote stehen -, daß das rein geistige Leben jenseits ein viel helleres, sich seiner selbst und aller andern subjektiven und objektiven Vorgänge, Zustände und Verhältnisse des Lebens ein um ebensoviel reiner bewußteres sein muß, als um wie viel der Geist über alle Materie - die, wie gezeigt, nichts als ein fixierter Ausdruck seiner Gedanken und Ideen ist - für ewig steht als selbst Licht, Leben, Kraft und vollstes Bewußtsein in sich.
   05] Weil aber nicht nur ein, sondern alle nach Meiner Ordnung lebenden Menschen in ein gleiches allervollkommenstes Leben übergehen, so ist die Frage ob des einstigen Wiedersehens eine eitle. Denn so die Menschen in diesem unvollkommenen Puppenleben schon die Fähigkeit des sich Wiedererkennens und natürlichen Wiedersehens besitzen, die sie doch nicht abstreiten oder bezweifeln können, so werden sie diese Fähigkeit wohl um so mehr im vollkommensten, rein geistigen Leben besitzen, wo ihr ganzes Wesen der unvergängliche Ausdruck und das Grundprinzip alles Lebens und aller Verhältnisse und Vorkommnisse desselben ist! Auf dieser Welt erkennt ja auch durch den Leib hindurch die Seele durch den Geist in ihr die ihr bekannten und verwandten Menschen, kann sich andern befreundet und vollends verwandt machen und erkennt sie dann als solche der Gestalt und dem Charakter nach allzeit wieder. So aber solches die Seele und der Geist vermag durch all die tausend Kerkerwände des in sich selbst toten Leibes, um wieviel mehr wird sie solches in ihrem völlig freien Zustande vermögen, wie solches schon an sehr vielen Somnambulen nur zu oft beobachtet worden ist, die mit festverschlossenen Augen nicht nur ihre Umgebung oft bis auf den innersten Lebensgrund, sondern auch die in fernen Landen sich irgendwo befindenden Menschen, um die sie befragt wurden, mit allen ihren Zuständen und Verhältnissen geschwind und überaus wohl erkannten! Und doch ist die Seele einer noch so hellen Somnambule noch bei weitem nicht in dem freien Zustande, wie eine sogar noch mehr unvollkommene Seele nach dem Abfalle ihres Leibes!

   06] Daß unvollkommene Seelen sich nach ihrem Freiwerden vom Leibe nur zu bald mehr und mehr verfinstern, das liegt in ihrem bösen Willen. Solche Seelen sehen dann freilich von der Welt nichts mehr, was sehr notwendig ist, da sie in einem sehenden Zustande der Welt und namentlich denen, die sie zu ihren Feinden rechneten, einen zu bedeutenden Schaden zufügen würden. Solche Seelen und respektive Geister sehen dann nur das, was sich aus ihrer Phantasie gleich einer niedersten Traumwelt entwickelt. In solcher Phantasiewelt verharren solche Seelen dann oft Hunderte von Jahren, sehen die stets neu ankommenden Seelen, wenn sie auch auf der Erde ihre nächsten Verwandten waren und diese sie sogleich ersehen, nicht. Sie sehen nur ihre lang andauernde Phantasiewelt und sind daher nur den Engeln durch pure Entsprechungen, die die Engel in die Phantasiewelt solcher blinden Seelen hineinzuschieben imstande sind, zur Belehrung zugänglich.
   07] Wenn sie Belehrung und dadurch eine Besserung ihres Willens annehmen, so verschwindet nach und nach ihre Phantasiewelt, und sie kommen dann stets mehr und mehr zum wahren Licht und zur Anschauung all des Daseienden und somit zum Wiedersehen ihrer Verwandten und Freunde. Sie erkennen sie dann als solche auch gar bald wieder und haben eine rechte Freude an ihnen.
   08] Bessern sie sich aber nicht, so bleiben sie in ihrer stets ärger werdenden Traumwelt lange Zeiten der Zeiten. Und da ist dann vom erfreulichen Wiedersehen und Wiedererkennen keine Rede. Sowenig irgend ein materieller Mensch in einem sehr materievollen Traume sich irgend seiner Außenverhältnisse und Lebenszustände erinnern kann, sondern nur das schaut, was ihm seine Phantasie als plastisch vorgaukelt, ebensowenig und eigentlich noch bei weitem weniger kann eine finstere Seele sich jenseits irgend an etwas erinnern oder etwas erkennen in ihrem Traumkreise, in dem sie sich nie tätig, sondern allzeit nur leidend (passiv, d. Hg.) befindet und sich daher aus sich selbst auch eine nahe ewig andauernde Zeit, nach dem Maße dieser Erde genommen, nimmer frei machen kann!
   09] Wer hier nicht wenigstens zur Hälfte im Geiste wiedergeboren wird, kommt jenseits mehr oder weniger in den oben bezeichneten Zustand und kann sich selbst darin ebensowenig helfen wie der Embryo im Mutterleibe, dessen Regen und Bewegen von dem notwendigen äußeren Zustande der Mutter abhängt. Aber es waltet dennoch eine ganz eigene Bewandtnis bei solchen Seelen ob, was da mit dem Zustande des Embryo im Mutterleibe etwas Unterschiedliches hat. Und das besteht, um für den Verstand der Menschen vernehmlich zu reden, darin, daß der Embryo im Mutterleibe als sich neubildende Kreatur durchaus leidend ist, während die finstere Seele ganz aus sich tätig und leidend zugleich ist und, weil sie nicht will, nicht untätig werden kann, auf daß sie dadurch möchte unleidend werden.
   10] Wie kommt aber das? So ein Mensch auf dieser Welt entweder nur sehr wenig oder zumeist wohl auch gar nichts zur Belebung und Bildung dessen, was seine Seele in ihrem Herzen verborgen trägt, getan hat, sondern alles nur auf den äußeren Verstand verwendete und diesen dann dazu benutzte, wohlberechnete Wege einzuschlagen, um auf diesen sich weltliche Schätze - welcher Art und welchen Namens sie auch immer sein mögen - zu verschaffen, um sich durch sie die möglichst feinsten und in jeder Hinsicht wohlschmeckendsten Genüsse und Lustreize zu bereiten, so ist, wenn dann solch eines Menschen Seele jenseits ankommt, ihre göttliche Lichtkammer dicht verrammt und verschlossen. Das irdische Verstandeslicht aber, das eigentlich bloß eine Kombination der äußeren, materiellen Lichtbilder ist, die an den vielen Millionen Flächen der Gehirntäfelchen für die Seele ersichtlich sind, und aus denen die Seele allzeit, nach Art der dummen Astrologen, ihre Berechnungen macht und dann wie von der Macht des dicksten Aberglaubens sich danach zu handeln genötigt fühlt, bleibt ohnehin so wie die Bildergalerie eines Bilderliebhabers, wenn er stirbt, in der Welt zurück. Die Folge ist, daß solch eine Seele dann notwendig total finster in der Geisterwelt anlangen muß und nichts behält als das Bewußtsein oder den Ausdruck des Lebens und nur insoweit die Erinnerung an ihre irdischen Zustände und Verhältnisse, inwieweit solche in der (dem leiblichen Gehirn) entsprechenden Gehirnkammer der Seele in entsprechenden Typen aufgezeichnet sind, welche die immerhin höchst sensible Seele fühlt und ihrer gewahr wird, wenn sie dieselben zufolge ihrer Finsternis auch nicht klar beschauen kann.
   11] Daß ein solcher Zustand einer an alle Lustreize des Lebens gewöhnten Seele nur zu bald unerträglich wird, läßt sich hoffentlich leicht begreifen und sogar lebendig fühlen. Solch eine Seele gerät dann bald in eine große Furcht, Angst und am Ende in einen großen Ärger und Zorn, wodurch sich in ihr dann eine Art Glutschimmer entwickelt.
   12] Denn wo immer jemand schon in der gerichteten Materiewelt irgendeine starke Tätigkeit ersieht - wie etwa einen heftigen Sturm, eine starke Meeresbrandung, eine starke Reihung zweier Gegenstände gleicher oder ungleicher Art, einen mächtigen Druck zweier harter Körper aufeinandcr und derartiges mehr, - da wird er dabei, besonders zur Nachtzeit, auch eine Feuer- und Licht- oder wenigstens eine Schimmerentwicklung bemerken, welche von den Naturgelehrten mit dem allgemeinen, aber eben nicht immer tauglichen Namen Elektrizität bezeichnet wird, - im Grunde aber und ganz eigentlich der vollen Wahrheit gemäß nichts als eine Erregtheit der in aller Materie mehr oder weniger hart gefangenen Naturgeister ist, die stets desto eher und leichter erregt werden können, je härter sie gefangen sind. Sind sie aber leichter gehalten, wie etwa in der Luft, im Wasser, im Lehm und in allerart anderen flüssigen und weichen Körpern, so gehört auch im Verhältnis eine heftigere Bewegung (Tätigkeit, s.o.) dazu, damit die ihr nicht so schnell ausweichen könnenden Naturgeister erregt und durch ihre höchst schnell vibrierende Bewegung innerhalb ihrer sie gefangen haltenden leichten und höchst durchsichtigen Hülse als ein Licht oder als ein Glühen ersichtlich werden.
   13] Daß diese Erregung der Naturgeister aber in der Vibration besteht, kann ein jeder Mensch von nur einigem Beobachtungsgeiste beseelt leicht aus tausendfachen Eracheinungen in der Naturwelt ersehen und erkennen. Wenn irgend ein Mensch oder sogar auch ein Tier durch was immer in seinem Gemüt sehr erregt wird, so wird an ihm ein Beben bemerkt, welches von nichts anderem als lediglich von der Erregtheit der im Fleisch und Blut gefangenen Naturgeister herrührt. Eine Saite auf einem Toninstrument vibriert, wenn sie einen Stoß oder Schlag bekommt, weil die in der Materie der Saite gefangenen Geister durch den Schlag oder Stoß erregt werden. Die Flamme jeden Lichtes, die nichts als ein Akt der Freiwerdung der in der Materie gefangenen Naturgeister ist, besteht in stets sichtbarer Vibration, die durch die Tätigkeit der frei werdenden Naturgeister entsteht. Und dergleichen Erscheinungen gibt es noch Tausende und abermals Tausende, an denen derselbe Akt beobachtet werden kann. - -
   14] Es ist gesagt worden, daß die Seele durch den Verlust ihres Weltlichtes und aller aus demselben hervorgehenden Lustbarkeiten zuerst in eine große Furcht und Angst und am Ende in einen großen Ärger und Zorn gerät, wodurch in ihr eine Art Glutschimmer erzeugt wird. Dieser Glutschimmer entsteht im Wesen der Seele entsprechend auf die ganz gleiche Weise wie in der Naturwelt.
   15] Die Furcht ist die erste Erregung der in jeder einzelnen Seele vorhandenen endlos vielen seelisch-geistigen Spezifikalpotenzen. Wenn alle Potenzen in ein immer heftigeres Beben ( Vibration) geraten, so wird der ihnen gegebene Formraum bald zu eng. Da aber die äußere Form, innerhalb der alle die zahllosen Potenzen zu einem Leben vereinigt sind, bald zu eng wird - weil sie nicht so leicht erweitert werden kann und darf -, so ist die Folge davon dann notwendig ein immer heftigeres Drängen und Drücken nach allen Seiten hin, wodurch in dem konkreten Gesamt- oder besser gesagt Ein-Leben das Gefühl der Angst zum Vorschein kommt.
   16] Wenn das Drängen und Drücken stets heftiger werdend andauert, so entsteht daraus eine geistige Gärung, die man Ärger nennt. Wie aber schon in der Natur das Resultat einer stets heftiger werdenden Gärung eine volle Entzündung ist, ebenso ist das Endresultat der großen Gärung der seelischen Spezifikalpotenzen eine volle Entzündung, und diese heißt Zorn. Und von solchem Zorn rührt dann auch die Erscheinlichkeit des Glutschimmers her, der, so er heftiger und heftiger wird, endlich in einen vollen Brand übergeht, der als böseste Erscheinung des Lebens Wut und im eigentlichsten Sinne Hölle heißt und ist.
   17] Wenn nun eine abgeschiedene Seele sogestaltig in den besprochenen Glutschimmer gerät, so fängt sie dadurch an, die in ihrem Gehirne vorhandenen geistigen Stigmata (Eindrücke) sehr matt zu erschauen und erkennt bald viel eitel Böses und wenig Gutes in ihrem Wesen. Sie sieht in solchem Zwielicht auch nicht selten die Mücke für einen Elefanten und umgekehrt den Elefanten für eine Mücke an. Aus solchen Anschauungen entwickeln sich dann in der Seele allerlei ganz luftige und durchsichtige, man könnte sagen formlose Formen gleich den Luftschlössern eines verliebten Jünglings auf der Welt, die bei einer sehr heftigen Phantasie nicht selten auf Augenblicke in eine förmlich ersichtliche Erscheinlichkeit treten, aber bei der geringsten Gemütsstörung in ein Nichts verschwimmen.
   18 Weil aber die Seele auf die gezeigte Weise nichts zu einer bleibenden Realität bringen kann und durch die momentan (flüchtig) auftauchenden, mehr Zerr- als wohlgeordneten Bilder nur stets mehr gereizt und erregt wird, wodurch am Ende sogar das Innerste 'Herzensstöße' zu bekommen anfängt, so kommt dadurch dieses Innerste dann auch in eine, aber ganz entgegengesetzte Tätigkeit.
   19] Durch diese Tätigkeit (ihres Urgeistes aus Gott) wird die wilde Tätigkeit der Seele beruhigt, so daß am Ende die Seele in sich selbst in einen förmlichen Schlaf gerät, also ruht, und in dieser Ruhe als mehr vereinigt mit ihrem Urgeiste aus Mir in einen förmlichen Traum kommt und, weil sie sich in solchem Zustande ganz behaglich fühlt, darin auch verbleibt, - ein Zustand, den die alten Seelen- und Lebensforscher den 'Seelenschlaf' nannten.
   20] Der im Herzen der Seele nun gegen die Gelüste der Seele tätige Urgeist schafft nun für die Seele stets mehr und mehr solche Bilder, die einesteils stets das enthalten, was der Seele selbstliebigem und herrsch- und genußsüchtigem Sinne zusagt. Aber sowie sie solches in ihrem Traume, den sie natürlich für Wirklichkeit hält, vollgierig ergreifen will, so wird es entweder zunichte oder es weicht zurück und flieht von dannen. Andernteils aber wird der Seele auch solches produziert, was ihr frommt, und so sie es ergreift und zu ihrem wahren Besten verwendet, so bleibt es, und es fängt also aus dem Traume eine feste und bleibende Welt (für die Seele) sich zu entwickeln an.
   21] Je mehr die Seele das ergreift, was ihr von ihrem Urgeiste geboten wird, desto mehr einigt sie sich mit ihm und geht so unvermerkt in ihren Urgeist ein und mit demselben zum Urlichte und aller Wahrheit aus ihm. Und sie erkennt da bald sich vollends wieder und alle ihre Bekannten und Verwandten und wird gewöhnlich durch sie dann zu Mir Selbst hingeleitet, wo ihr dann auch nach dem Maße ihrer Vollendung und Einswerdung mit ihrem Geiste stets mehr Licht und Weisheit gegeben wird und das volle Vermögen, in die Naturwelten schauen und ersprießlich tätig werden zu können. Daß in diesem Falle ein vielseitiges Wiedersehen eine ganz natürliche Folge ihrer geistigen Vollendung ist, bedarf wohl keines weiteren Beweises mehr.

   22] Aber was geschieht denn hernach mit jenen Seelen, denen in ihrem jenseitigen Traumleben die vorgespiegelten Bilder und Erscheinlichkeiten, nach denen ihr selbst- und genußsüchtiger Sinn giert, durch die guten Erscheinlichkeiten nicht aus dem Begehrsinne getrieben werden können? Was geschieht, frage Ich, mit solch einer Seele, die darum stets mehr in Wut gerät, weil sie die Gegenstände ihrer Lust, die ihr vorgezaubert werden, nicht erreichen und festhalten kann? Gibt es in diesem Falle auch ein Wiedersehen? Nein, sage Ich, da gibt es kein Wiedersehen!
   23] Solch einer Seele wird dann ihr eigener Geist zum unerbittlichsten Richter. Er läßt sie am Ende die vorgespiegelten Dinge und Objekte erreichen und sich nach ihrem argen Sinn an ihnen erlustigen; aber solche Erlustigung bereitet der Seele allzeit den größten und brennendsten Schmerz und macht sie auf eine lange Zeit wieder ganz finster.
   24] Der Geist läßt dann zu, daß eine also finster gewordene Seele in ihrer größten Wut, die sie durchglüht und ihr also ein böses Licht gibt, um ihresgleichen außer sich wahrzunehmen, nun wirklich mit Seelen ihrer Art zusammenkommt.
   25] Da geschehen dann sogleich Verbindungen und Zusammenrottungen von solchen, die sich ihre Wut gegenseitig mitzuteilen beginnen. Sie verschanzen sich gegen die Feinde, mit denen sie in ihrem Traumleben, das solche Seelen aber für Wirklichkeit halten, in eine für sie widrigste Berührung kommen und fassen die racheglühendsten Beschlüsse, sich eher selbst nach aller Möglichkeit zu töten, als sich irgendeine noch so geringe göttliche Anordnung mehr gefallen zu lassen.
   26] In einer solchen Verschanzung, zu der sie das Material aus ihrer Einbildung nehmen - insoweit sie irgendeiner Einbildung in ihrem Wutglühlichte fähig sind -, verharren sie oft sehr geraume Zeiten und werden darob nur von neuem ärgerlicher, zorniger und wütender, durchbrechen dann selbst ihre Verschanzung und gehen hordenweise den Feind suchen, weil keiner in ihre Verschanzung eindringen wollte, daß sie an ihm ihre Rache hätten kühlen können. Aber ihr Suchen ist ein vergebliches. Sie kommen nur mit anderen ihresgleichen den Feind suchenden Horden zusammen und machen mit ihnen bald gemeinsame Sache, suchen dann so gemeinsam mit aller Hast den Feind, finden aber natürlich nie einen.
   27] Wenn solch elender Seelen einmal mehrere Tausend beisammen sind - deren Haufen sich in der Geisterwelt für das Auge der reinen Geister ungefähr also ausnimmt, wie auf dieser Erde allenfalls das Glühen der Luft durch ein in der Tiefe irgendwo brennendes Haus -, so erwählen sie den Glühendsten unter ihnen, den sie für den Mutigsten und Weisesten halten, als Anführer, der sie dann über einen Boden führt, der gewöhnlich auch der Einbildung solcher Seelen entspricht - entweder in der Form einer finsteren Sandsteppe oder einer unabsehbaren Ebene, auf der nichts als trockenes Moos zum Vorschein kommt. Auf solchen Böden finden sie nach langem Umherziehen und unter großem Hunger und Durst auch gewöhnlich nichts als etwa wieder eine ähnlich herumziehende Horde unter einem stark glühenden Anführer. Und da geschieht es entweder, daß sie einander anfallen aus schon zu großer Rachewut, sich zerreißen und verstümmeln, oder sie vereinigen sich unter zwei Anführern, was aber schon gleichfort zu Reibungen Anlaß gibt, weil da ein jeder der beiden Anführer der Erste sein will, was in kurzer Weile dennoch einen Krieg der beiden Horden zuwege bringt.
   28] Wenn sich bei solchen Kriegen solche höchst unglückselige Seelen nahezu ganz zu kleinen Stücken zerrissen haben - natürlich alles nur scheinbar -, so kommen sie wieder zu einer gewissen Ruhe und ihr Geist zeigt ihnen dann wieder wie in einem helleren Traume, wie nichtig, fruchtlos und eitel ihr töricht-blindestes Bemühen war, und zeigt ihnen den besseren Weg zur Umkehr.
   29] Manchmal nehmen einige solche Weisung an und bekehren sich. Aber zumeist werden sie nach einem solchen Gesicht erst ganz toll und treten in ihren geistlosen puren Seelenzustand zurück, der dann bei weitem schlechter wird, als da war der erste. Und solche Zustände sind dann schon Hölle, aus der ein Ausweg schwer zu finden ist! Wer da nicht geht den schmalen Pfad durch sein eigenes Herz, der kommt nimmer zurecht und kann Trillionen und Dezillionen von Erdjahreszeitlängen in solcher Hölle verharren.
   30] Es ist nun also gezeigt worden, wie das Seelenleben jenseits in zwei einander schroffst entgegengesetzten Hauptzügen und Beschaffenheiten zuständlich geartet ist: entweder nach oben oder nach unten. Aber es soll mit dem allem dennoch nicht jede Erscheinlichkeit in der Geisterwelt dargestellt sein, sondern wie gesagt nur die beiden allgemeinen Hauptzüge, also das schroffste Pro und Kontra.
   31] In der Mitte dieser zwei Hauptzustände gibt es noch eine zahllose Menge von Erscheinlichkeiten, die hier nicht dargestellt zu sein brauchen, da sie in den Werken: »Die geistige Sonne«, »Erde und Mond« und in den »Szenen der Geisterwelt« zur Übergenüge gezeigt worden sind, so wie teilweise in den mannigfachen anderen Mitteilungen und Naturzeugnissen. Aber alle die darin geschilderten wie immer gearteten Erscheinlichkeiten fußen auf der nun gezeigten Hauptnorm, und die Grundwege entweder nach oben oder nach unten sind in sich die gleichen.
   32] Das eigentliche wahre Wiedersehen kommt erst im Gottesreich, das ist im Himmel vor, welcher die ganze Unendlichkeit dem Raume nach erfüllt und sonach allenthalben gegenwärtig ist, in den aber jeder Mensch nur durch sein Herz gelangen kann.
   33] Da es aber doch viele in der Welt nun gibt, die so materiell sind, daß sie von den geistigen Verhältnissen der Dinge keine Spur und keine Ahnung haben, hier aber von den »Naturgeistern« lesen und nicht verstehen, was diese sind und worin sie bestehen, so soll dahin hier noch eine ganz kurze Nacherläuterung folgen.
   34] Die ganze materielle wie auch die rein geistige Schöpfung ist nichts als eine durch der Gottheit allmächtigen Willen festgehaltene Idee aus dem Herzen oder Leben der Gottheit Selbst und - weil aus Gott - im Grunde des Grundes geistig. Würde nun alle die sogenannte materielle Schöpfung, was Gott gar leicht möglich wäre, der gleichfort andauernden Festhaltung ledig, so würde sie wieder als ein nur der Gottheit sichtbarer großer Gedanke ganz geistig im Gemüte Gottes Platz fassen und mit der Realisierung der freien Selbständigkeit von zahllosen Wesen wäre es zu Ende!
   35] Aber Gott will es ewig gleichfort, daß Seine großen Gedanken und Ideen ewigfort zur freiesten Selbständigkeit sollen realisiert werden. Und so hatte Gott darum für die einzig dadurch mögliche Realisierung, daß all die göttliehen Gedanken und Ideen als unwandelbar gefestet dastehen müssen Seiner Pläne und Zwecke willen, diesen allein wirksamen Weg eingeschlagen:
   36] Die zahllosen Gedanken nnd Ideen müssen gewisserart nur in allerartig kleinsten geistigen Teilchen sukzessive freier und freier gemacht werden, aber dabei dennoch lange von irgend einer Hauptidee Gottes, die da erscheinlich als ein Weltkörper im endlosen Gedanken- und Ideenraume als gefestet schwebt, angezogen und gehalten werden, bis sie nach und nach ihrer Gleichartigkeit nach sich mehr und mehr zusammenfinden und so in eine immer größere Wesenheit bis zum Menschen hin übergehen.
   37] Solche von der totalen Hauptidee (dem Weltkörper) freier und freier gelassenen Teilchen sowie die noch nicht frei gelassenen, sondern in der Hauptidee noch festgehaltenen Teile heißen bis zum Menschen hinan »Naturgeister«. Diese freieren Naturgeister - oder Naturkräfte, wie es die Weltgelehrten nennen - befinden sich als schon selbsttätig entweder in der Luft, im Wasser oder im weicheren Erdreiche und locken da die noch hart gefangenen Geister in die Freiheit heraus, vereinigen sich mit ihnen und bilden dadurch, daß sie sich mit den noch unfreieren Geistern umhüllen, allerlei Lebensformen: zuerst Pflanzen, aus diesen Tierchen und Tiere größerer und größter Art - bis zum Menschen hin, wo sie als Seele und auch - dem unfreieren, noch groben Teile nach - als dessen Leib dann erst durch Gottes Urwesen Selbst, nun schon zur Genüge zur vollfreien Selbständigkeit reif, wieder ergriffen und förmlich - aber anfangs noch immer wie von außen her - für den folgenden reingeistigen, ewig dauernden Zustand durchgeschult und geübt werden.
   38 Die dann ein solches Durchschulen sich gefallen lassen und also freiwillig in die Ordnung eingehen, in der ihr ewig selbständiger, freiester Lebenszustand allein möglich ist, - diese kommen dann auch zum großen Wiedersehen Dessen, aus dem sie hervorgegangen sind. Sie werden sehen, wie und woher und durch Wessen Macht und Weisheit und unwandelbare Beharrlichkeit sie vom eigentlichen Nichtsein ins vollste, freieste und selbständige Sein und Erkennen gekommen sind.
   39] Zugleich aber, weil mit ihrem Urgrunde ein und dieselbe Wesenheit, werden sie auch selbst auf die gleiche Weise zu ihrer großen Beseligung aus ihrer nun höchsteigenen, aber der göttlichen völlig gleichen Weisheit neue Schöpfungen ins Werk setzen und sonach ganz in Meiner Ordnung Schöpfer ihrer höchsteigenen Himmel sein, wodurch sie dann zum realisierten Wiedersehen aller ihrer Gedanken und Ideen gelangen werden.
   40] Und das alles wird dann ein großes, ewig dauerndes realisiertes Wiedersehen sein in der endlosen Fülle alles dessen, was ein göttlicher Geist ewig unerschöpflich in sich birgt. Und das ist dann erst das vollkommene, große Wiedersehen!
   41] Ich meine nun, wer da Augen hat zum Sehen und Ohren zum Hören, der wird daraus zu seinem ewigen Vorteil unbeschreibbar vieles schöpfen können zur vollen Erkenntnis des geistigen Lebens.
   42] Wer es aber nur lesen wird aus einer Art Neugierde und wird daran legen die Feile seines Weltverstandes, dem wird es einst gerade also ergehen, wie es in dieser Beschreibung zu lesen ist. Denn Mein Erbarmen kann und darf sich nicht und nie über die Schranken Meiner nun aus dem Fundamente gezeigten unwandelbaren Ordnung erstrecken. Denn diese Ordnung ist an und für sich schon Meine ewige Erbarmung.
   43] Wer aber über die Schranken dieser Ordnung tritt, der wird nur sich selbst einen überaus langen, unglückseligsten Zustand jenseits zuzuschreiben haben. Denn es muß ein jeder sich selbst gestalten, so er sein will das, was er sein soll. Will jemand sich diese Mühe nicht nehmen, so muß er dann auch so lange im ewig notwendigen Gerichte verharren, bis er sich selbst zu umstalten anfangen wird, was die Seele einen harten Kampf kosten würde!
   44] Hüte sich daher ein jeder von euch vor (eigensüchtigem Trachten nach) irdischen Gütern, Reichtum, Glanz und Ansehen, sei aber nach seinen Kräften reichlich mildtätig gegen seine ärmeren Brüder und Schwestern, so wird ihm der Kampf mit der Finsternis ein leichter sein. Amen.
   45] Das sagt der Herr allen Lebens zu euch allen. Amen. Amen. Amen.


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