Kurzbeschreibung: Tod einer Modenärrin durch zu eng geschnürtes Ballkleid. Ihre seltsame symbolische Seelen-Gestalt nach ihrem Tod. Jahrhundetelange Dauer, bis sie wieder eine einigermaßen menschl. Gestalt bekommen wird.
01]
Hier folgt noch ein früher Tod, der einer jungen Modeheldin, die sich bei einem Ball zu sehr dem Tanze hingab,
um sich irgend einen jungen und reichen Bräutigam zu ertanzen, sich statt dessen aber nur den frühen Tod ertanzt
hat.
02]
Ein junges, dem Leibe nach überaus gefällig gestaltetes
Mädchen von neunzehn Jahren wurde auf einen noblen Gesellschaftsball geladen, welche Einladung sie natürlich mit
Einwilligung ihrer Eltern bereitwilligst annahm. Alsogleich
wurden die Modekaufläden durchmustert, die zum Glück
unter tausend Artikeln doch einen besaßen, der da unserer
geladenen Holden anständig (passend, d. Hg.) war. Nun ging's zum ersten
Modeschneider und zwar mit dem Bedeuten, das Kleid
nicht nur nach der letzten Pariser oder Londoner, sondern
womöglich nach der letzten Madrider oder New Yorker
Mode zu verfertigen, damit man auf einem so glänzenden
Ball doch mit etwas Außerordentlichem erscheinen könne,
um dadurch das größte Aufsehen zu erregen und auch als
eine außerordentliche Erscheinung betrachtet zu werden!
03]
Der Schneider hatte keine kleine Angst ob solchen Auftrags, indem er seine Kundschaft schon kannte, mit wieviel
Dutzend Kapricen sie bei solchen Gelegenheiten gesalbt
war. Er nahm sich daher kreuzmöglichst zusammen und
verfertigte wirklich ein Meisterstück von einem Ballkleid
zur vollen Zufriedenheit seiner Kundschaft; denn das Kleid
konnte ohne Schnürmieder angezogen werden und ob der
vielen feinsten elastischen Bänder aber den Leib dennoch
so eng zusammenziehen, daß unsere Heldin um die Leibesmitte dünner war als um ihren runden Hals.
04]
Dieses New Yorker Modekleid aber war auch so ganz
eigentlich die Ursache ihres frühen und nahe plötzlichen
Todes; denn da sie auf dem Ball die Königin der Schönheit
und Grazie war, so tanzte sie auch mit einem jungen, reichen Affen, der ihr sehr bedeutend in die Augen stach,
so wütend viel, daß sie sich dadurch in der zu sehr gepreßten Lunge ein großes Blutgefäß sprengte und ob des dadurch gar starken Blutverlustes in wenigen Minuten eine
Leiche war.
05]
Als sie auf dem Tanzboden zusammenbrach und aus ihrem Rosenmund ein Blutstrom sich ergoß - zum Schauder
aller zahlreich eben auch nicht zu locker geschnürten Mädchen und Damen -, da stürzten freilich wohl ihre Eltern,
Verwandte und Ärzte herbei, rissen ihr die Kleider vom
Leib und begossen sie mit eiskaltem Wasser und gaben ihr
Medikamente, die sie aber, als schon vollkommen tot,
natürlich nicht mehr einnehmen konnte.
06]
Alles weinte und klagte laut. Die Eltern und der ritterliche Affe von einem Liebhaber rissen sich aus Verzweiflung die Haare vom Kopfe. Andere fluchten solch einem
Geschick, wieder andere bedauerten die Unglückliche.
Viele verließen den Tanzsaal und trugen ein Notabene mit
nach Hause, aber natürlich um nicht viel besser als die
Sperlinge, die ein Schuß vom Dache vertrieb.
07]
Hier, bei diesem Falle, werden wir in der Geisterwelt
eben nicht viel von Belang zu sehen bekommen; aber
dessenungeachtet sollt ihr es sehen, wie sich derlei Übersiedlungen in der Geisterwelt ausnehmen.
08]
Sehet, da liegt unsere Heldin noch zusammengekauert
am mit ersichtlichem Blute besudelten Boden, und dort in
einiger Ferne erseht ihr einen Engelsgeist mit über Kreuz
geschlagenen Armen stehen! Sein Antlitz verrät Trübsinn,
d.i. eine Art Wehmut, die ein solcher Schutzgeist bei solchen Fällen der krassesten Narrheit der Menschen empfindet, so er ihnen mit all seiner Sorge nicht zu helfen vermag.
09]
Was aber wird nun dieser trauernde Engel hier tun? Seht,
er naht sich dem auch in der Geisterwelt als Leiche ersichtlichen Mädchen! Nun ist er bei ihr und spricht: »O du unsinniges Wesen! Was soll ich nun erwecken bei dir, da alles
tot ist an dir, dahin ich nur mein Auge wende?! O Herr,
sieh gnädig herab! Hier langt die Kraft nicht aus, die Du
mir verliehen; daher strecke Du Deine allmächtige Hand
aus und tue mit dieser Törin nach Deinem Wohlgefallen!«
10]
Nun seht, dort kommt schon ein anderer, ganz feuriger
Engel! Nun ist er da, und seht, sein Feuer ergreift die Tote
und verzehrt sie im Augenblick zu Asche. (In der Naturwelt kann das nicht bemerkt werden, weil dieser Akt nur
den seelischen Leib betrifft.) Nun fängt in der Asche sich
etwas zu rühren an. Der Engel betet über diese Asche.
Seines Gebetes letzte Worte sind: »Herr, Dein Wille geschehe!«
11]
Darauf verläßt der zweite Engel die sich stets mehr rührende Asche; aber der erste Engel bleibt. Dieses Rühren
aber ist nichts anderes als ein neues Zusammenordnen der
ganz zerstörten, zerstreuten und höchst zerrütteten Seelenspezifikalpartikel, was nun unmittelbar durch Meine Kraft
geschieht. Nun aber wird sich auch sogleich zeigen, wieviel
und was von dieser Mädchenseele noch übriggeblieben
ist!
12]
Seht, nun erhebt sich ein dunkelgraues Wölkchen! Das
Wölkchen prägt sich stets mehr aus. - Und nun seht, da
haben wir schon eine Gestalt! Ihr könnt sie wohl mit nichts
Ähnlichem auf der Erde vergleichen! Der Kopf gleich dem
einer Fledermaus, der Leib gleich dem einer Riesenheuschrecke, die Hände wie Gänsefüße, und die Füße gleich
denen eines Storches! -- Wie gefällt euch diese Mode nun
als die Frucht jener weltlichen? - An der Mode aber läge
so viel Außerordentliches nicht; aber daß diese Törin, als
quasi Selbstmörderin, schwerlich je des Himmels Lichtgefilde betreten wird, das ist etwas anderes! —
13]
Es werden wohl einige hundert Jahre vergehen, bis diese
zur menschlichen Gestalt kommen wird, und das nur auf
sehr schmerzliche Art! Nachher aber wird sie im Geisterreiche sein, was die Albinos auf der Erde sind, nämlich
lichtscheu.
14]
Weiter ist bei dieser nichts mehr zu sehen und zu lernen,
darum nächstens ein anderes Exempel.