Jakob Lorber: "Bischof Martin - Die Entwicklung einer Seele im Jenseits"
170. Kapitel: Zusammenströmen der Völker der Sonnengemeinde. Jesu Predigtauftrag an Martin. Dessen ängstliche Bedenken. Herrlicher Gesang und seine ermutigende Wirkung auf Martin.
01] Schnell eilen auf das sogleich erfolgte Geheiß des Weisen nach allen Richtungen Boten hinaus, um zu rufen Tausende und abermals Tausende, hierher zu kommen zur großen Verkündung einer neuen Lehre, welche auf dieser Welt bisher noch niemals sei gehört worden.
02] Wie die Sturmwinde fliehen und die Wolken vor sich hertreiben, so fliehen die Boten in der großen Gemeinde umher. Sie rufen wie atemlos die Bewohner, mit ihnen eiligst zu ziehen in die Wohnung, in die stets bei großen Gelegenheiten der Weise Uhron zu kommen pflegt, um den Menschen aus der Höhe der Höhen neue Wege der Weisheit zu verkünden.
03] Solchen Ruf vernehmend, eilen die Völker der Gemeinde dem bezeichneten Wohnhause zu. Jeden trägt die große Gier wie auf Adlers Fittichen förmlich durch die Lüfte, und es ist ein Strömen und ein Wogen dahin, wo das Höchste ihrer harrt.
04] Martin vernimmt das große Sausen und Brausen wie ein Rollen des Donners schon in das Haus und fragt Mich: »Herr, Vater, woher dies Getöse? Es kommt näher und näher und wird heftiger von Augenblick zu Augenblick!«
05] Antworte Ich: »Weißt du noch nicht, daß dort die Anziehung am stärksten wirkt, wo sich der Grundmagnet befindet? Siehe, dies Getöse kommt vom schnellen Herannahen der Menschen dieser großen Erde her, weil sie alle ahnen, was ihnen hier zuteil wird. Schon umlagern sie dies Haus; sieh durch die vier Tore hinaus, welch unabsehbare Massen sich herzudrängen! Alle, alle kommen, um zu vernehmen die Worte des Herrn des Lebens und des Todes.
06] Siehe, da wird unsere Arbeit schon etwas stärker werden, als du sie bisher verkostet hast! Aber mache dir nichts draus; denn ist die Arbeit auch groß, so haben wir ja auch mehr als hinreichend Kraft und Macht dazu! Oder meinst du etwa, wir werden da mit unserer Kraft nicht auslangen, weil du so ängstlich die heranziehenden Massen betrachtest?«
07] Spricht Martin: »O Herr, das wäre wohl eine höchst blinde Meinung von meiner Seite; ich denke nur, wie uns alle diese zahllosen Wesen vernehmen werden? Hier im Hause - ob es auch schon mächtig groß ist - werden sie ja doch unmöglich können untergebracht werden. Denn ich sehe wie auf der Erde ja viele Meilen weit hinaus, und der ganze Umkreis ist gedrängt voll! Gehen wir aber aus dem Hause ins Freie, da werden uns nur die wenigen Nächsten vernehmen, alle anderen werden unser nicht einmal ansichtig werden. Wahrlich, diese schauderhafte Masse zu belehren, wird eine schöne Arbeit abgeben!«
08] Rede Ich: »Nicht also, Mein lieber Martin; die Sache geht hier ganz anders! Wir werden hier nur mit den Nächsten, und zwar hauptsächich mit dem Uhron verhandeln. Dieser wird es dann, durch eigene Zeichen im Augenblicke allen anderen wie durch einen Telegraphen kundgeben.
09] Aber es kommt hier wieder zuerst an dich! Du wirst die erste Predigt halten, dann Petrus und Johannes, und endlich Ich Selbst. Aber Ich sage dir, nimm dich jetzt zusammen, denn es wird hier viel Wetters geben; sieh, daß du nicht gestört werdest! Nun gedulde dich noch ein wenig; so Ich dir ein Zeichen geben werde, beginne deine Predigt! Also sei es!«
10] Spricht Martin bei sich: »Ja, ja, o Herr, Du hast leicht sagen: 'Es sei!' Aber ich, ich - das ist etwas ganz anderes! Ich soll jetzt diesen Millionen Menschen, die sicher ebenso weise, wo nicht weiser als ich sind, eine Predigt halten? Und das im Angesichte des Herrn, des Petrus und des ungeheuer tiefsinnigen Johannes! Das wird sich machen, - und das unter allerlei Stürmen und Wettern, das wird sich noch besser machen! Dabei werde ich einen Bock um den andern machen, dann werde ich weidlich ausgelacht werden, - oh, das wird sich ganz verzweifelt gut machen!
11] Zwar habe ich wohl schon öfter allerlei dumme, manchmal wohl auch etwas gescheitere Reden gehalten in Gegenwart des Herrn sowohl wie in Gegenwart des Petrus und Johannes. Aber da waren nicht Millionen oder gar Trillionen Zuhörer, die sämtliche weiser sind als ich. Hier aber, wo es nur so wimmelt, da hat die Sache ein ganz anderes Gesicht!
12] Das ganze Haus ist gesteckt voll. Man kennt sich ja gar nicht mehr aus, was da Männchen oder Weibchen ist! Tausend unbegreiflich schönste Wesen glotzen mich mit ihren großen feurigen Augen an und scheinen in höchster Spannung zu sein auf das, was ich vortragen werde. Oh, das wird sich machen! Mir ist noch keine Silbe bekannt, was ich reden soll, und sie reißen schon alle Augen, Ohren und Mund auf, soweit sie nur können, um meine Weisheit - oder was - zu vernehmen! Oh, die werden staunen über meine Weisheit!
13] Wenn der Herr mich jetzt sitzen läßt und mir nicht jedes Wort in den Mund legt, so werde ich nun in eine Soße kommen, wie ich mich bis jetzt
noch in keiner befunden habe! Ich passe schon immer auf das Zeichen vom Herrn, aber Ihm sei Dank, daß bisher noch keines erfolgt ist! Oh, wenn es nur für mich ganz wegbliebe! Aber es wird sicher nicht! Der Herr macht schon eine Miene, als ob Er sagen wollte: 'Martin, nun mache dich gefaßt!
14] Aber horch, horch - ich höre ja wie ferne Harmonien. Ich höre Gesang, wunderherrlichsten Gesang! Das tönt wie Orgeltöne und wie Stimmen reinster Sängerkehlen! Ach, das ist wunderherrlich, das ist rein himmlisch! O du reine Musik, du göttliche Musik, du erfreust und erbaust nicht nur auf Erden das Gemüt der Seele - auch im Himmel bist du eine große Labung der seligen Geister! Stets kräftigere Akkorde wechseln in erhaben gehaltenen Tönen!
15] Ach, das ist übermajestätisch! Dieser kräftige Baß, dieser wohlklingende Diskant und diese reinste Stimmung! O Herr, diese Musik ist herrlicher noch als alle sonstigen Herrlichkeiten dieser Welt! Ja, diese Musik belebt mich durch und durch. Ich fühle nun, daß ich doch etwas zuwege bringen werde, so ich werde müssen anfangen zu predigen! Wahrlich, das ist wohl das herrlichste Predigtlied, das je irgend eines Geistes Ohr, wie ich einer bin, vernommen hat!
16] O herrlich, herrlich, herrlich Herr, ich danke Dir für diesen endlos herrlichsten Genuß! Er gilt wohl nur Dir ganz allein, aber ich bin dennoch überselig und habe nun auch mehr Mut als ehedem. Ja, Du hast wohl zahllose Mittel, ein schüchternes Gemüt aufzurichten und dem Zaghaften Mut einzuflößen, und kennst eines jeden Sinn. So will ich nun auch wie ein rechter Herold Dich verkünden und ihnen zeigen Deine verborgene Größe, Liebe, Macht, Kraft und Heiligkeit! Ewig gelobt und gepriesen werde Dein heiligster Name!«
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