Jakob Lorber: "Bischof Martin - Die Entwicklung einer Seele im Jenseits"

60. Kapitel: Martin stiftet Frieden zwischen streitenden 'Barmherzigen Schwestern'. Die werkheiligen Torheiten der Schulschwestern und ihre jenseitigen Folgen. Martins Ermahnung.

   01] Bischof Martin aber spricht hier: »Hört ihr alle, meine lieben Schwestern! Lasst den Herrn Jesus allein entscheiden unter euch; Er allein ist ein gerechter Richter! Ihr aber vergebt einander von Herzen, so wird alles gut werden. Dies mein Haus ist ein Haus des Friedens und der Liebe, und nicht ein Haus der Rache! Daher beruhigt euch und seid frohen Mutes, darum ihr hier bei mir eine so gute Unterkunft gefunden habt - sicher nur durch die unsichtbare Gnade des Herrn! Werdet ihr euern Haß in Liebe umgestalten, da werdet ihr schon auch zu einem bessern Aussehen gelangen!
   02] Es gehen aber auf der Welt gar viele einen verkehrten Weg der Tugend; wie solltet davon ihr eine Ausnahme sein! Ihr habt zwar viel getan, aber nicht des Herrn, sondern des Himmels wegen, - und das ist noch lange nicht evangelisch! Man muß alles tun und dann erst ausrufen: 'Herr, siehe, ich war ein fauler Knecht! O Herr, sei mir, Deinem nutzlosesten Knechte, gnädig und barmherzig!' Wenn ihr, meine lieben Schwestern, so urteilen werdet über euch und werdet einander nicht richten und verdammen, da werdet ihr schon Gnade vor Gott finden!
   03] Wisst ihr denn nicht, was da der weise Lehrer Paulus spricht, der für sich auch ein schlechter unnützer Knecht ist und sein Tun nicht achtet, sondern allein die pure Gnade des Herrn? Seht, dieser Lehrer spricht: a 'Du wirst nicht aus deinem Verdienste, sondern lediglich durch die Gnade des Herrn selig werden!' - Beherzigt das und werft all euere vermeintlichen Verdienste dem Herrn zu Füßen! Bekennt vor Ihm die volle Nichtigkeit alles dessen, was ihr bisher als etwas Verdienstliches zum ewigen Leben angesehen habt, so wird die Gnade des Herrn sogleich über euch ersichtlich werden! ( a röm.03,24; röm.09,12; röm.11,06)
   04] Seht, ich war gar ein Bischof auf der Welt und glaubte auch, so ich aus der Welt gehen werde, daß mir da gleich ganze himmlische Scharen entgegenziehen würden. Aber, dem war ganz anders! Ich selbst habe noch bis jetzt den eigentlichen Himmel nicht gesehen, obschon ich mit dem Herrn schon sehr oft geredet habe und dies Haus auch unmittelbar aus Seiner allerheiligsten Hand empfing. Wie wollt demnach ihr schon mit aller Glorie gekrönt sein? Daher nur Geduld, Sanftmut und Liebe und einen heitern Mut angezogen, alles andere wird sich dann schon von selbst geben!«
   05] Die Barmherzigen Schwestern treten nun ganz besänftigt zurück. Bischof Martin ruft die Schulschwestern vor, die sich während dieser Belehrung in einem Winkel soeben ein wenig die Augen auskratzen wollten, und fragt auch sie, wie und auf welche Art sie in dies Elend gelangt sind und wo sie auf der Erde eigentlich gelebt haben.
   06] Und eine von diesen antwortet: »O geliebtester, hochgeehrtester, allerhochwürdigster Freund! Wir sind nicht alle von einem Orte, sondern sind teils aus Frankreich, teils aus der Schweiz, aus Welschland und Tirol und teils auch aus der Steiermark.
   07] Wir lebten übermäßig fromm: Tag für Tag beteten wir wenigstens 14 Male, und allzeit wenigstens eine Viertelstunde lang; täglich wohnten wir einer heiligen Messe bei und fehlten nie bei der Vesper. Sonn- und feiertags wohnten wir wenigstens drei Messen bei, einer Predigt und der nachmittäglichen Litanei und beiden 'Segen'. Wir gingen wöchentlich, besonders in der Advents- und Fastenzeit zum wenigsten dreimal beichten und empfingen täglich das allerheiligste Altarsakrament. Wir fasteten alle Wochen fünfmal zu Ehren der allerheiligsten Fünf Wunden und gaben uns am Freitage zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria 7 Schmerzensstreiche, und zwar 4 auf die linke und 3 auf die rechte Brust mit Strick oder Rute.
   08] Die übrige Zeit widmeten wir frommen Betrachtungen und dem Unterrichte junger Mädchen. Dabei richteten wir unser Augenmerk hauptsächlich darauf, daß in den jungen Herzen schon frühzeitig der Drang erwachen sollte - wenn aus finanziellen Rücksichten möglich -, so früh als möglich in unsere Fußstapfen zu treten und all ihr irdisches Erbe Gott zu Füßen zu legen, um so eine reine und würdige Braut Jesu Christi zu werden!
   09] Ebenso durfte auch keine von uns mit unverschleiertem Haupte auf die Straße und bei strengster Ahndung keinen weltlichen Mann ansehen: nicht einmal einen Weltpriester, sondern allein nur einen heiligen Bruder aus dem Orden des heiligen Franziskus, wohl auch einen heiligen Jesuiten und den Bischof oder auch einen sehr frommen Domherrn. Kamen uns dabei etwa dann und wann unzüchtige Gedanken, so zeigten wir solche sogleich der würdigsten Mutter an und baten sie um eine recht scharfe Strafe zur Abwendung solchen Höllenspuks von unseren keuschesten Herzen.
   10] Die gute würdige Mutter, die sehr heilig war, gab uns dann sogleich die weisesten Lehren und nachher erst die gebührenden Strafen, die verschieden waren je nach der Größe der unkeuschen Gedanken. Für einen ganz kleinen Gedanken war ein Streich auf die nackte Natur, darauf 3 Rosenkränze und ein vollkommener Fasttag. Auf einen größeren Gedanken waren 7 starke Rutenstreiche auf die nackte Natur, daß es Blut gab, darauf 12 Rosenkränze und 3 volle Fasttage in der Woche. Auf einen noch stärkeren Gedanken - etwa gar an den allerverdammlichsten Ehestand, wie er jetzt besteht - waren 15 Streiche mit spitzigen Ruten, 30 Rosenkränze und 9 volle Fasttage 3 Wochen hindurch und ein spitziges Zilizium (Bußgürtel aus Eisen mit Spitzen nach innen) über die nackte Brust oder Lenden als Strafe diktiert und sogleich ausgeführt.
   11] Dazu kamen noch die geistlichen Bußen, oft noch ärger als jene, die uns die liebe würdige Mutter gab. So mußten wir auch bei Nacht vom besten Schlafe oft aufstehen und Chorbeten gehen, was besonders im Winter sehr bitter war. Wurden wir krank ob der vielen Strapazen und Marter, so durften wir uns nie die liebe Gesundheit, sondern allzeit nur den bittersten Tod wünschen wegen Abbüßung unserer läßlichen Sünden, und dergleichen schrecklichste Selbstverleugnungen mehr. - Du siehst aus meiner zwar kurzen, aber überaus wahren Schilderung unsern sehr bitteren irdischen Zustand.
   12] Wir haben also für Christus viel und meist geduldig erlitten und haben uns ohne Murren willigst gefügt den harten Regeln unseres strengen Ordens! Wir haben all unser Vermögen diesem Orden vermacht zu seiner heilsamen Ausbreitung zur Ehre der allerseligsten Jungfrau Maria und zur stets größeren Ehre Gottes! So glaubten wir denn, an Gott keine unbillige Forderung gestellt zu haben, so wir nach unserem bitteren Leibestode sogleich in die ewige Glückseligkeit möchten aufgenommen werden! Aber nicht nur, daß wir alle unsere begründeten Hoffnungen hier wie einen Schaum zerfließen sahen, sondern höre:
   13] Als wir alle, die wir hier stehen, fast zu gleicher Zeit uns hier in dieser Welt trafen und von einigen Bauern angerufen wurden, daß wir nun in der Geisterwelt wären, da sahen wir von einer andern Seite ganz liederliche und wohlbekannte Weibspersonen in diese Welt ankommen. Wir waren ganz sicher der Erwartung, daß sogleich eine Menge Teufel daherkommen würden, um diese schlechten, ausgelassenen und ketzerischen Weiberseelen sogleich verdientestermaßen in die Hölle zu ziehen!
   14] Allein - ah, wer hätte sich das je können träumen lassen! Statt der Teufel kamen sichtbare Engel vom Himmel herab und umkleideten diese schlechten, sündigsten Seelen sogleich mit wahren himmlischen Kleidern! Sie gaben ihnen leuchtende Palmen und trugen sie schnurgerade in den Himmel; uns aber würdigte kein Engel auch nur eines Blickes! Wir schrien wir beteten, ja wir beschworen Maria und Gott bei allen Seinen Heiligen und Auserwählten, - aber all unser sicher Millionen Jahre langes Schreien war bis jetzt noch fruchtlos! Sage, ist das nicht zu arg!? Sind wir nicht betrogen, zeitlich und ewig! Ist das wohl auch eine Gerechtigkeit Gottes zu nennen?!
   15] Spricht Bischof Martin: »No, no, habt nur Geduld! Für jetzt seid ihr versorgt. Und wenn's auch in die Ewigkeit nicht besser würde wie nun mit euch, so könntet ihr es schon ertragen! Denn auf euer Verdienst dürft ihr euch eben nicht zu viel einbilden. Warum waret ihr so dumm auf der Welt, euch einsperren und prügeln und am Ende gar förmlich umbringen zu lassen? Was Gutes habt ihr dadurch euren Nächsten wohl getan? Ihr habt nur für eure Haut gesorgt und hättet euch wenig daraus gemacht, so Gott auch die ganze Welt verdammt hätte, wenn nur ihr den Himmel erworben hättet!
   16] Seht, mit solcher Nächstenliebe kommt hier niemand weiter. Darum seid geduldig und werft euer Verdienst von euch! Betrachtet euch als schlechte, nutzlose Mägde des Herrn, so werdet auch ihr bei Gott Gnade finden! Tretet nun zurück und lasset die Herz-Jesu-Damen hierher kommen!«


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