Jakob Lorber: "Bischof Martin - Die Entwicklung einer Seele im Jenseits"
10. Kapitel: Bischof Martin auf Abwegen. Hinweise Jesu über geistige Zustände und deren Entsprechungen.
01] Wer von euch am Kompaß des
Geistes sich auskennt, wird bald merken, daß unser Mann nun
statt gegen Mittag schnurgerade gegen Abend seine Richtung
eingeschlagen hat. Er geht nun ganz mutig und behende
vorwärts; aber er entdeckt nichts außer sich als einen
mit spärlichem Moose bewachsenen ebenen Boden und eine sehr
matte, graulichte Beleuchtung des scheinbaren Firmaments, das, je
mehr und je tiefer gen Abend, stets dunkler wird.
02] Diese sichtlich zunehmende
Dunkelheit macht ihn etwas stutzen; aber es hält ihn nicht
ab, seinen Gang einzuhalten, wovon der Grund ist, weil seine
Erkenntnis und sein Glaube so gut wie gar nichts sind. Was aber
noch da, das ist falsche Begründung wider das reine Wort des
Evangeliums, somit barstes Antichristentum und ein im verborgenen
Hintergrunde in humoreske Maske verhüllter
Sektenhaß.
03] Daher dieses Bischofs Gang
gegen den stets dunkler werdenden Abend - daher der mit
spärlichem Moose bewachsene Boden, welcher die Trockenheit
und die magerste Geringheit Meines Wortes in dieses Mannes
Gemüte bezeichnet. Daher auch das stets zunehmende Dunkel,
weil das zu gering und gar nicht geachtete und noch weniger
beachtete Wort Gottes (vor dem sich derlei Bischöfe nur pro
forma in roten und goldenen Gewändern beugen) in ihm nie zu
jener Lebenswärme gedieh, aus der dann das herrliche Licht
des ewigen Morgens für den Geist hätte hervorgehen
können.
04] Solche Menschen müssen in
der Geisterwelt in die größte scheinbare Verlassenheit
kommen und in die vollste Nacht; dann erst ist es möglich,sie umzukehren. Wie schwer es aber hier auf der Welt ginge, einen
solchen Bischof auf den wahren Apostelweg zu bringen, ebenso und
noch bei weitem schwerer geht es dort, weil er dort von außen
her als Geist natürlich rein unzugänglich ist, in ihm
aber nichts ist als Irrtümliches, falsch Begründetes und
im Grunde Herrschsüchtiges.
05] Meiner Gnade aber sind freilich
wohl viele Dinge möglich, die dem gewöhnlichen
Ordnungsgange unmöglich wären! Daher wollet ihr eben bei
diesem Manne praktisch beschauen, wohin er kommen kann mit dem;
was da in ihm ist, und was am Ende, wenn sozusagen alle Stricke
reißen, noch Meine Gnade bewirken kann, ohne in die Freiheit
des Geistes einzugreifen. Solche Gnade wird diesem Manne auch
zuteil, weil er einmal gebeten hatte, daß Ich ihn mit Meiner
Hand ergreifen möchte! Aber eher kann ihn die
ausschließliche Kraft Meiner Gnade dennoch nicht ergreifen,
als bis er all den eigenen Plunder von allerlei Falschem und
verborgen Bösem aus sich hinausgeschafft hat, was sich durch
den Zustand der dichtesten Finsternis, die ihn umgeben wird,
kundtun wird.
06] Nun aber richten wir unsere
Augen wieder auf unsern Wanderer! Langsam und behutsamen Schrittes
schreitet er wieder vorwärts, bei jedem Schritte den Boden
prüfend, ob er wohl fest genug wäre, ihn zu tragen. Denn
der Boden wird nun hie und da sumpfig und moorig, was ein
entsprechendes Zeichen ist, daß alle seine falsch
begründeten Erkenntnisse bald in ein unergründliches
Geheimnismeer münden werden. Daher stoßen sie schon
jetzt auf unterschiedliche kleine Geheimnissümpfe in stets
dichter werdender Dunkelheit - ein Zustand, der sich schon auf der
Welt bei vielen Menschen dadurch kundgibt, daß sie, so ein
Weiserer mit ihnen etwas vom Geistes- und Seelenleben nach dem
Tode zu reden beginnt, sogleich mit dem Bedeuten davon abzulenken
suchen: so etwas mache sie ganz verwirrt, verstimmt und traurig,
und der Mensch würde, so er viel über derlei
nachgrübeln möchte, am ersten zu einem Narren.
07] Diese Scheu ist nichts anderes
als ein Auftritt des Geistes auf einen solchen Boden, der schon
sehr sumpfig ist, und wo niemand mehr den Mut hat, die
unbestimmten Tiefen solcher Sümpfe mit seinem überaus
kurzen Erkenntnismaßstabe zu bemessen aus Furcht, dabei etwa
ins Grundlose hinabzusinken.
08] Seht, der Boden, der unsern
Mann trägt, fängt an, stets gedehntere förmliche
kleine Seen zu entwickeln zwischen denen sich nur noch kleine und
schmale, scheinbare Erdzungen durchschlängeln. Dies
entspricht den hirngespinstischen Faseleien eines solchen
erkenntnislosen Gottbekenners mit dem Munde, dessen Herz aber
dennoch der purste Atheist ist.
09] Auf solchem Boden also wandert
nun unser Mann den Weg, den viele Millionen wandeln! Immer
schmäler werden diese Erdzungen zwischen den stets bodenloser
werdenden Seen, voll verzweifelter Unergründlichkeit für
seine Erkenntnis. Er wankt schon stark, wie jemand, der übereinen schmalen Steg geht, unter dem ein reißender Bach
dahinstürzt. Aber dennoch bleibt er nicht stehen, sondern
wankt aus einer Art falscher Wißbegierde fort, um irgendein
vermeintliches Ende der Geisterwelt zu finden; zum Teil aber auch,
um heimlich die schönen Schafe und Lämmer zu suchen,
denn diese gehen ihm noch nicht aus dem Sinn!
10] Wohl ist ihm alles genommen
worden, was ihn daran erinnern könnte: das Buch, die Wiese,
der Stein (des Anstoßes) samt den Schafen und Lämmern,
die ihm einmal auf der Welt sehr viel bezaubernd Reizendes und
überaus erheiternd Angenehmes bedeuteten. Darum führte
sie ihm der Engel Petrus auch hauptsächlich vor, um seine
Schwächen in allem zu enthüllen und ihn auch dadurch
mehr abzuöden.
11] Nun sehen wir auch, was
unseren Mann also treibt, bis er ans grenzenlose Meer kommen wird,
wo es dann heißen wird: "Bis hierher und nicht weiter reicht
alle deine Blindheit, Dummheit und übergroße
Narrheit!"
12] Lassen wir ihn daher nur
fortwanken bis an die äußerste Erdzungenspitze seiner
Faseleien, der er nun nicht mehr ferne ist. Dort wollen wir ihn
dann nach Muße behorchen, was alles für Narrheiten er in
das Meer seiner Geistesnacht hinausspeien wird!
13] Ein jeder von euch aber
erforsche seine geheimen dummen Weltneigungen genau, auf daß
er über kurz oder lang nicht auf den sehr traurigen Weg
dieses Wanderers kommen wird!
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