Jakob Lorber: 'Die drei Tage des 12-jährigen Jesus im Tempel'
25. Kapitel: Jesu scharfe Rede an die heuchlerischen Templer als seine ärgsten Gegner. Die Mißbräuche im Tempel.
01] Sagte Ich: »Ich bin nun da, um euch eine Kunde zu geben, daß Ich da bin, um zu vollbringen die Werke dessen, der Mich gesandt hat, den ihr nach eurem Geständnisse nicht kennet, den aber Ich wohl kenne, da Er in Mir wohnt in seiner Fülle!
02] Moses verlangte Ihn zu schauen und bekam den Rücken nur zu sehen - ward aber davon schon geblendet drei Tage lang, und sein Antlitz strahlte dann so sehr, daß er es verhüllen mußte, so er zum Volke kam; denn dessen Augen hätten den Lichtglanz nimmer ertragen.
03] Ihr aber möget Mir nun ganz wohl ins Angesicht schauen, und es blendet eure Augen kein unerträglicher Lichtglanz! Warum? Weil dies Fleisch den, der in Mir wohnt, verbirgt! Aber dessenungeachtet ist hier mehr denn das, was dort war! Aber ihr merket es nicht, weil vor euren Augen die dreifache Decke Mosis hängt und noch lange hängen wird, auf daß ihr den ja nicht erkennen möget, der aus den allerhöchsten Himmeln zu euch gekommen ist.
04] Mit den Richter habt ihr freilich wohl gut reden, da er euren ganz gut gestellten Worten nur sein Gehör leihen kann, mit Mir jedoch zu reden ist etwas schwerer, weil Ich auch die geheimen Gedanken eurer Herzen vernehme, die ganz anders lauten denn die Worte eures Mundes! Darum auch seid ihr Mir in hohem Grade widerwärtig, weil ihr euch wohl äußerlich rein waschet, aber inwendig in euren Seelen voll Schmutz seid!
05] So euch der Richter, in dessen Herzen kein Falsch ist, dazu aufforderte, das Volk auf Mich aufmerksam zu machen und es zu erquicken mit der Erfüllung seiner Hoffnung, warum suchet ihr da allerlei nichtige Umstände, denen zufolge so etwas gar nicht angehen könnte?!
06] Ich sage es euch aber ganz offen heraus: ihr - und nicht das Volk - wollet so etwas nicht, ihr selbst seid Meine ärgsten Gegner! Allein, es macht das gar nichts; denn fürs erste ist Meine Zeit noch nicht da, und fürs zweite ist eben dieser Tempel von euch zu sehr entweiht worden, als daß Ich je darinnen Wohnung nehmen könnte! Wahrlich, euer Ansehen soll durch Mich nimmer gesteigert werden!
07] Darüber schmollet ihr, daß euch Moses verboten hat, euch von Gott ein geschnitztes Bild zu machen. Aber das macht euch nichts, so ihr euch selbst zu Göttern vor dem Volke machet und dasselbe lehret, daß Gott ohne euch nichts tue, auch keine andere Bitte erhöre als nur die eures Mundes. Saget, ob das zu tun Moses auch geboten hat?!
08] Ja, ja, ihr sollet das Volk leiten auf den Wegen, die zum Himmel führen - denn das ist Gottes Wille, und das hat Moses und sein Bruder Aaron geboten -; ihr aber tuet gerade das Gegenteil und betrachtet euren Stand, Gott, Volk und den Tempel für nichts anderes als für eine recht fette Melkkuh, die zu melken ihr allein ein Recht von Gott aus zu haben vorgebet!
09] Ich aber sage es euch ganz offen, daß euch Gott, den ihr verleugnet mit jedem Atemzuge und mit jedem Pulsschlage, dieses Recht nie gegeben und eure toten und maschinenartigen Gebete nie erhört hat, sie jetzt nicht erhört und sie auch nie erhören wird!
10] Denn würde Gott euer wildes Geplärr und euer Rabengekrächze erhören - wahrlich, da müßte Ich doch auch etwas davon wissen! Denn was der Vater weiß, das weiß auch der Sohn, oder: was Meine Liebe weiß, das weiß auch Mein Verstand! Aber von einer jemaligen Erhörung eures Gebetes weiß weder Meine Liebe noch Mein Verstand etwas!
11] Und dennoch saget ihr: »So du, Mensch, zu Gott um etwas betest, da ist dir das zu nichts nütze, so du aber uns ein Opfer bringst und wir für dich beten, dann ist dir unser Gebet schon zu etwas nütze! Wir Priester allein dürfen beten mit Nutz, das Volk aber darf nur Opfer bringen und also mitbeten durch die reichlichen Opfer!«
12] So sauget ihr das Volk aus doppelt: erstens nehmt ihr von allen Früchten den Zehent und alle Erstgeburten der Haustiere und lasset euch für die Erstgeburt der Menschen eine tüchtige Löse geben; und zweitens haranguieret ihr das Volk ohne Unterlaß um Opfer und verheißet ihm darum lange und anhaltende Gebete, die ihr dann aber nie vollbringt!
13] Denn ihr saget dann wohl bei euch: »Ob wir beten oder nicht beten, das nützt dem Opferbringer ohnehin nichts. So ihm etwas nützt, da nützt ihm allein das Opfer, das er uns gebracht hat in guter Meinung!« Und so tuet ihr auch das nicht, wofür ihr euch habt zahlen lassen!
14] Mit wem soll Ich euch da vergleichen? - Ihr seid allezeit wider Gott und gleichet vollkommen den reißenden Wölfen, die in Schafspelzen einhergehen, damit die Schafe vor ihnen nicht fliehen und sie dieselben mit ihren scharfen Zähnen ohne alle Mühe erreichen und zerreißen können! Aber wie nun eure Arbeit, so wird euch auch dereinst drüben im Seelenreiche der Lohn werden! - Ich sage euch das, und ihr könnet euch darauf verlassen, daß für euch Meine Verheißung nicht unterm Wege verbleiben wird!«
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